„Menschen der Woche“: Die beiden ehemaligen Lehrer des Dammer Gymnasiums sprechen die Sprache der Römer. Einmal wöchentlich treffen sie sich und tauchen tief in die Texte vergangener Denker ein.
„Lingua Latina mirabilis est!“, empfinden Gottfried Krebeck und Engelbert Rechtien unisono, dass Latein eine wunderbare Sprache ist. Die beiden ehemaligen Lehrer des Dammer Gymnasiums halten die Sprache der Römer lebendig. Einmal wöchentlich treffen sich die beiden pensionierten Pädagogen zu ihrem „Symposium“, um tief in die Texte vergangener Denker einzutauchen. „Wir genießen es einfach“, erklärt Rechtien, der viele Gemeinsamkeiten mit Krebeck pflegt. Beide Studiendirektoren außer Dienst haben in ihrer aktiven Zeit Latein als Unterrichtsfach am Dammer Gymnasium unterrichtet.
Die „Dammer Lehrerstraße“
Beide haben außerdem in der typischen „Dammer Lehrerstraße“ Am Schwertberge im Stadtteil Wienerei sogar als unmittelbare Nachbarn nebeneinander gewohnt – übrigens auch neben ihrem einstigen Schulleiter Heinrich Holtvogt, der später Dammes Bürgermeister (1991 bis 1997) gewesen ist, sowie ihren Kollegen Franz Ostendorf, Hildegard Kröger, Wolfgang Pusch, Dr. Walter Wolking und Jakob Dervenich. Der heute 92 Jahre alte Krebeck wohnt mittlerweile im „Haus am Ohlkenberg“ der Stiftung Maria-Rast, stammt gebürtig aus Mühlen und hat bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1994 Katholische Religion und Latein unterrichtet. Der 87 Jahre alte Rechtien lehrte neben Latein die Fächer Mathematik und Sport, stammt gebürtig aus Holdorf und ging im Jahre 2002 in Pension.
„Latein hält den Geist fit.“ Gottfried Krebeck und Engelbert Rechtien
„Ich hätte gerne noch länger unterrichtet“, blickt Rechtien zufrieden zurück, der „wirklich gerne Lehrer“ gewesen ist. „Tempus fugit“, erklärt dazu Krebeck auf Lateinisch, dass die Jahre nur so vergehen. „Latein hält den Geist fit“, werben die beiden ehemaligen Lehrer für die Sprache der Römer. Die lateinische Sprache gehöre zu den indogermanischen Sprachen, die ursprünglich von den Latinern, den Bewohnern von Latium mit Rom als Zentrum, gesprochen wurde, erläutert Rechtien. „Die frühesten Zeugnisse reichen bis ins 7. oder 6. vorchristliche Jahrhundert zurück“, liefert der ehemalige Pädagoge spannende Einblicke in die Faszination des Lateinischen. Das sei das sogenannte Frühlatein gewesen. „Ab dem dritten vorchristlichen Jahrhundert liegen längere Texte aus dem Altlatein vor“, so Rechtien weiter.
Amtssprache des Römischen Reichs
Latein sei Amtssprache des Römischen Reichs gewesen und so zur „dominierenden Verkehrssprache im westlichen Mittelmeerraum“ emporgestiegen, unterstreicht Rechtien die enorme Bedeutung auch noch für das heutige Europa. Während sich aus der gesprochenen Umgangssprache, dem sogenannten Vulgärlatein, im Frühmittelalter die romanischen Sprachen, wie Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch und Spanisch, entwickelten, sei das Latein der römischen Schriftsteller „auch als tote Sprache“ bis in die Neuzeit die führende Sprache der Literatur, Wissenschaft, Politik und Kirche geblieben, konstatiert Krebeck.
Gottesdienst lange Zeit fast nur auf Latein
Für die Römisch-katholische Kirche sei Latein die wesentliche Sprache der Liturgie und der offiziellen Verlautbarungen, denn bis zur Liturgiereform der 1960er Jahre fanden Gottesdienste nämlich fast ausschließlich auf Latein statt und auch heute werde Latein zu diesem Zweck weiterhin verwendet. „In Tausenden von Lehn- und Fremdwörtern sowie Redewendungen ist Latein auch heute in nichtromanischen Sprachen wie Deutsch oder Englisch präsent“, unterstreicht Rechtien.
Bei der Bildung neuer Fachbegriffe werde auch immer wieder auf das Lateinische zurückgegriffen. „Ihre volle Ausformung in der Gestalt des heute vor allem bekannten und gelehrten klassischen Lateins erreichte die Schriftsprache im ersten vorchristlichen Jahrhundert“, betont Rechtien, der Krebeck regelmäßig aus dem Lateinischen Lesebuch und aus dem Schulbuch „Ostia“ vorträgt, an dem sogar der ehemalige Schulleiter des Dammer Gymnasiums Oberstudiendirektor Alfons Zimmer mit gearbeitet hat. Beim Tod des Kaisers Trajans im Jahre 117 nach Christus habe das Römische Reich seine größte Ausdehnung erlebt. Es erstreckte sich über den gesamten Mittelmeerraum und reichte bis in das heutige Großbritannien und in den Orient hinein, habe man bisher angenommen.
Großes Interesse an Ausgrabungen
Mit großem Interesse verfolgen die beiden Dammer Pensionäre deswegen auch die jüngsten Ausgrabungen auf der vor Fuerteventura vorgelagerten kleinen Nachbarinsel Los Lobos, wo jüngste archäologische Ausgrabungen eine Purpurwerkstatt aus der spätrepublikanischen und frühimperialen Epoche der Römerzeit nachgewiesen haben.
Rechtien gibt Wissen an Enkel weiter
„Womöglich muss die Geschichte ganz neu geschrieben werden“, fasziniert sich Krebeck, da die Geschichtsschreiber bislang immer davon ausgegangen waren, dass die Römer nie den Mittelmeerraum verlassen hätten, jetzt aber auf der Kanareninsel im Atlantik eindeutige Spuren gefunden wurden. Rechtien, mittlerweile 14-facher Großvater, gibt inzwischen sein Wissen um die lateinische Grammatik übrigens auch an seine Enkelkinder weiter.