Interview mit Frau Stangenberg zum Thema Beratung
Herzlich willkommen zu unserem Interview, Frau Stangenberg. Damit jeder Bescheid weiß, wer Sie sind und was Sie machen, würde ich sagen, dass Sie sich erst einmal vorstellen.
Natürlich. Ich bin Meike Stangenberg und vor 21 Jahren begann ich meinen Beruf hier am Gymnasium als Französisch- und Deutschlehrerin. Mit der Zeit stellte ich fest, dass es mir große Freude bereitet, Schüler mit Problemen zu begleiten und zu beraten. Und so ergab sich vor 14 Jahren die Möglichkeit, eine Beratungslehrerausbildung zu absolvieren. Diese Chance habe ich sofort ergriffen und wurde schließlich, nachdem ich lange als Vertrauenslehrerin tätig war, Beratungslehrerin.
Okay, danke für die Vorstellung. Zunächst würden wir gerne wissen, warum Sie Beratungslehrerin beziehungsweise allgemein Lehrerin geworden sind.
Schon in der 9. Klasse wusste ich, dass ich Lehrerin werden wollte. Ich kann nicht genau sagen, warum, da es in meiner Familie keine Person gab, die im schulischen Umfeld tätig war. Vermutlich hatte mich aber meine damalige Französischlehrerin dazu inspiriert, da sie laut meiner Meinung eine großartige Französischlehrerin war. Außerdem habe ich gerne Nachhilfeunterricht gegeben und anderen geholfen, ihre Schwierigkeiten im Unterricht zu überwinden. Daraus entstand der Wunsch, Lehrerin zu werden. Unterrichten ist schließlich eine Form von Hilfe, die Menschen weiterbringt, und das Helfen liegt mir sehr am Herzen, weshalb ich auch Beratungslehrerin geworden bin.
Sehr interessante Motivationen. Mussten Sie auch eine Ausbildung für die Beratung bestehen?
Ja, das musste ich. Sie dauerte zwei Jahre, in denen ich alle zwei Wochen nach Oldenburg fuhr, zu einem sogenannten Studienzirkel. Dort arbeitete ich mit anderen Beratungslehrer-Anwärtern an verschiedenen Themen, wie Gesprächsführung, Erkennung von Problemen bei Schülern, Eltern und Lehrern sowie den Aufbau von Vertrauen. Das Wichtigste war, wie man Ratsuchende dazu bringt, über ihre Probleme zu sprechen, und ihnen hilft, selbst eine Lösung zu finden. Denn bei unserer Aufgabe geht es nicht darum, einfach eine Lösung vorzugeben, sondern den Ratsuchenden zu helfen, selbst auf eine Lösung zu kommen.
Interessant. Laut Ihrer Antwort waren sie während ihrer Ausbildung auch sozial aktiv mit anderen Auszubildenden. Mit wem arbeiten Sie denn heute bei der Beratungsstelle zusammen?
Ich arbeite mit vielen Personen zusammen. In enger Kooperation bin ich mit Frau Molitor, Frau Tymko und der Schulleitung. Besonders bei großen Themen, die ganze Jahrgänge oder Gruppen betreffen, unterstützt mich die Schulleitung auf eine hervorragende Weise, mit einem diversen Angebot an Möglichkeiten, um Hilfe zu leisten. Wenn ich das Einverständnis der Ratsuchenden habe, hole ich auch Klassen- oder Fachlehrer hinzu, um ein möglichst großes Team mit vielen Ansprechpartnern zu bilden. Die Vertrauenslehrer spielen ebenfalls eine Rolle, aber besonders bei größeren Fällen, die über kleinere Konflikte hinausgehen, kommen sie auf mich oder die Schulsozialarbeit zurück. Dann arbeiten wir oft auch mit dem Jugendamt oder der Polizei zusammen.
Okay, Sie haben gerade gesagt, dass Sie mit Einverständnis des Beratenden bei manchen Fällen auch andere Bezugspersonen in den Konflikt einbeziehen, gleichzeitig haben Sie aber eine Schweigepflicht. Ist das manchmal nicht auch ein Problem?
In der Beratungstätigkeit gibt es drei Grundsätze der Beratung: Freiwilligkeit, Verschwiegenheit und Zuständigkeit. Die Verschwiegenheit lässt mir nicht zu, über Inhalte der Beratung mit jemand anderem zu sprechen, wenn es mit dem Ratsuchenden nicht abgesprochen ist. Deshalb ist die Schweigepflicht enorm wichtig, da auf ihr das Vertrauen der beratenden Person basiert, obwohl sie es manchmal auch sehr schwer machen kann, zu helfen. Denn bei manchen Fällen habe ich eine Lösung vor Augen, die aber so nur umgesetzt werden kann, wenn ich den Klassenlehrer oder die Klassenlehrerin, die Eltern oder eine andere Fachperson miteinbeziehe. Wenn die Ratsuchenden das aber auf keinen Fall wollen, sind mir die Hände gebunden. Das ist manchmal frustrierend, was aber keineswegs heißen soll, dass ich die Schweigepflicht am liebsten nicht einhalten würde und nicht wertschätze, bei manchen Fällen ist es aber schwierig, mit ihr umzugehen.
Das ist verständlich. Erhalten Sie denn für den Nebenberuf als Beratungslehrerin auch Geld?
Nein, ich bekomme kein zusätzliches Geld, sondern drei Entlastungsstunden pro Woche, die ich für die Beratung nutze, welche aber trotzdem so gewertet werden, als ob ich in dieser Zeit unterrichten würde. Das sind aber keine drei festen Stunden, da ich einfach immer da bin, wenn es Beratungsbedarf gibt.
Apropos Stunden – Wie viel Zeit nimmt denn die Beratung in Anspruch?
Das variiert stark. Es gibt Phasen im Schuljahr, insbesondere gegen Ende des Schuljahres und in der Weihnachtzeit, in denen viele Probleme auftreten. Es lässt sich aber schwer im Voraus sagen, wie viel Zeit ich pro Woche für die Beratung aufwenden muss.
Und was, denken Sie, ist der Grund, dass viele Schüler an Weihnachten oder am Ende des Schuljahres kommen?
Ich glaube, dass das Ende des Schuljahres eine Rolle spielt, weil es für viele Schüler um die Versetzung geht. Noten spielen im gesamten Schuljahr eine große Rolle, aber besonders zu den Halbjahres- und Endzeugnissen. Die Angst vor den Eltern und die Reue, sich nicht schon früher angestrengt zu haben, kommen oft vor. Weihnachten sind ebenfalls belastende Zeiten, da in vielen Familien alles perfekt sein muss. Dieser Perfektionismus und Stress, den die Eltern in dieser Zeit teilweise haben, sind auch oft belastend.
Stichwort „belastend“ – Belasten Sie denn die Themen, die Sie bei Ihrer Arbeit hören, auch privat?
Ja, besonders schwerwiegende Fälle wie Missbrauch, Gewalt in der Familie und Kindeswohlgefährdung sind für mich sehr belastend. Denn am liebsten würde ich das Kind mit nach Hause nehmen und eine Lösung finden, weit weg von der Gefahr zu Hause. Aber das ist natürlich nicht möglich. Stattdessen gebe ich jedem Kind meine private Handynummer, damit es mich jederzeit anrufen kann, falls es zu Hause in Not gerät. Die Vorstellung, dass das Kind in ein traumatisierendes Zuhause zurückkehren muss, ohne Unterstützung zu haben, ist für mich schwer erträglich.
Ein nachvollziehbarer Punkt. Würden Sie Ihren Job und die Ausbildung weiterempfehlen?
Ja, ich würde ihn immer wieder wählen. Für mich sind Schüler in erster Linie Menschen, mit denen ich viel Zeit in der Schule verbringen kann und möchte und die mir am Herzen liegen. Wenn sie allein nicht mehr klarkommen, habe ich das Bedürfnis, ihnen zu helfen. Ich empfehle auch die Ausbildung dringend, da sie einem hilft, die Beratung noch besser zu gestalten. Allerdings ist diese Tätigkeit des Beratens grundsätzlich nicht an die Ausbildung gebunden. Das Einzige, was notwendig ist, ist, das herzliche Bedürfnis zu haben, anderen helfen zu wollen.
Danke, das war es mit dem Interview! Vielen Dank für Ihre informativen Antworten und dass Sie sich Zeit für unser Interview genommen haben. Haben Sie noch einen schönen Tag!
Gern geschehen und auch euch noch einen schönen Tag!
WPU Journalismus Jg. 8










