„Wenn es die EU nicht gäbe, wäre heute der richtige Zeitpunkt, die EU zu gründen.“

10. März 2025Allgemein, BNE, Europaschule, Schulleben

Europagespräch 2025 mit Anja Muhle und Lennart Rentz

Der Europapolitiker und stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Liberalen Lennart Rentz (FDP) aus Braunschweig war in diesem Jahr Gast und Referent des Europagesprächs, das von der Medienwissenschaftlerin Anja Muhle aus Visbek moderiert wurde. Das Europagespräch fand am 05. März im Rahmen der Europawoche am Gymnasium Damme statt.

„Wenn es die EU nicht gäbe, wäre heute der richtige Zeitpunkt, die EU zu gründen“, so fasste der 23-jährige Rentz die gegenwärtige politische Lage zusammen. Angesichts der unsicheren Sicherheits- und Wirtschaftslage, die gekennzeichnet sei durch Putins Überfall auf die Ukraine, Trumps Abkehr von der Unterstützung der Ukraine, den Wettbewerb mit dem Systemrivalen China, aber auch durch drohende Zölle, sei eine starke EU notwendig. Rentz erinnerte daran, dass die EU als erfolgreiches Einigungs-, Freiheits- und Friedensprojekt aus den Erfahrungen der verheerenden Weltkriege hervorgegangen sei. Diese EU habe uns Sicherheit, Wohlstand, Freiheit und Frieden gebracht.

Dieser Frieden sei aber keine Selbstverständlichkeit mehr, angesichts eines russischen Angriffskrieges auf europäischem Boden. Die Ukraine verteidige Werte und Freiheitsrechte, die auch uns wichtig seien. Rentz setzte mit der Sicherheitspolitik seinen ersten von drei Schwerpunkten und betonte, dass es nun gelte, die Bundeswehr zu stärken. „Diese muss in der Lage sein, kämpfen zu können, um nicht kämpfen zu müssen“, brachte es Rentz auf den Punkt. Zumal die Sicherheitslage auch durch den amerikanischen Präsidenten Trump durcheinandergeraten sei.

Dieser Trump gefährde durch seine Zölle und Zollandrohungen den Freihandel, die europäische Wirtschaft und letztlich unseren Wohlstand, weshalb ein starkes Europa notwendig sei, um europäische Interessen auf Augenhöhe vertreten zu können. Demokratie und soziale Marktwirtschaft seien in der Vergangenheit europäische Exportschlager gewesen. „Wir müssen heute wieder wirtschaftlich stärker werden, um wahrgenommen zu werden“, schloss der Europolitiker seinen zweiten Schwerpunkt ab.

Der dritte beschäftigte sich mit dem inneren Frieden. Populisten versprächen einfache Lösungen auf komplexe Fragen. Die deutliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Großbritannien nach dem Brexit zeige doch deutlich, so Rentz, dass sich Probleme erfolgreich nicht nationalstaatlich, sondern nur europäisch lösen lassen.

Muhle erinnerte nach diesem Plädoyer für Europa, dass die EU auch für offene Grenzen, den Euro, Datenroaming und das Bildungsprogramm Erasmus stehe, aber in der Öffentlichkeit häufig mit ausufernder Bürokratie in Verbindung gebracht werde. Rentz entgegnete, dass eine Reform der EU notwendig sei. So müssten die Sitze des Europaparlaments reduziert und das Einstimmigkeitsprinzip des Europäischen Rates abgeschafft werden.

„Geht es uns zu gut?“, wollte Muhle angesichts des gesellschaftlichen und politischen Reformstaus wissen. „Ja, wir haben es uns zu bequem gemacht“, bestätigte Rentz. So wie wir leben, werde es uns von anderen streitig gemacht. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, politisch aktiv zu werden“, so Rentz, denn Politik sei kein „Zuschauersport“. Alle seien gefragt.

Dass Rentz und Muhle den Nerv der Schülerinnen und Schüler getroffen hatten, zeigte sich in der anschließenden regen Diskussion. So fragte eine Schülerin, wie mehr junge Leute in die Parlamente kommen könnten. Rentz begrüßte diese Frage und forderte, dass die Parteien jünger werden müssten. Die Parteien bräuchten starke Jugendorganisationen, um progressiv sein zu können.

Auf die Frage nach dem Sinn der Schuldenbremse angesichts des geplanten Sondervermögens für Bundeswehr und Infrastruktur antwortete Rentz, dass eine Reform angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen zwar notwendig, die Schuldenbremse selbst aber grundsätzlich wichtig sei. Schulden und Schuldzinsen würden die Gestaltungsmöglichkeiten heute und in der Zukunft einschränken, deshalb seien solide Staatsfinanzen wichtig.

Ob eine Wehrpflicht nicht wichtig sei, um eine Reserve für die Bundeswehr zu bilden, so eine weitere Frage aus der Schülerschaft. Dies sieht Rentz anders. Seiner Meinung nach sei die Wehrpflicht nicht mehr zeitgemäß, da sich die Anforderungen an Soldaten verändert hätten. Die Bundeswehr benötige Profis, die umfassend geschult werden müssten, allerdings sei es wichtig, dass der Aufbau einer Reserve durch ehemalige Zeitsoldaten mit der Berufswelt abgestimmt werde, damit regelmäßige Fortbildungskurse und Übungen möglich seien.

Auch auf Fragen nach Migration, Investitionsstau, Klimaschutz und Verbrennerverbot gingen Rentz und Muhle umfassend ein. Die dialogische Form des Europagesprächs feierte mit Rentz und Muhle in diesem Jahr Premiere. „Die lockere Gesprächsform und die professionelle Moderation haben Europapolitik spannend und interessant vermittelt. Lennart Rentz und Anja Muhle ist es gelungen, den Schülerinnen und Schülern ihre Begeisterung für Politik nahezubringen“, ist sich der für das Europagespräch zuständige Koordinator Michael Hansen sicher. Dass die freie Moderatorin und Medienwissenschaftlerin Anja Muhle für das Europagespräch gewonnen werden konnte, geht auf Jürgen Kurzer, den Vorsitzenden des FDP-Stadtverbandes Damme, zurück, der das Gymnasium Damme bei der Suche nach einem Referenten für das diesjährige Europagespräch tatkräftig unterstützt hatte.

 

Gruppenbild vor der Schule: Jürgen Kurzer, Sabine Nieberding, Lennart Rentz, Anja Muhle, Heiko Bertelt und Ludger Kässens

Bild auf der Bühne: Lennart Rentz und Anja Muhle

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