Coronaferien? oder die Geschichte vom Glauben

25. Januar 2021Allgemein, Bildungsangebote, MINT

Homeschooling aus der Sicht einer Lehrerin

Montagmorgen. Der Wecker klingelt um angenehme 7 Uhr statt zur gewohnten Uhrzeit eine Stunde früher. Heute ist ein „freier“ Tag: Kein Unterricht in Jahrgang 13, also kann ich zu Hause bleiben. gemütlich aufstehen und frühstücken – wie schön!

Am Schreibtisch angekommen starte ich schon einmal die Videokonferenz für meinen Bio-Leistungskurs. Die Teilnehmer aus diesem Oberstufenkurs sind ehrgeizig und haben sich offenbar zum großen Teil gut in die Homelearning-Situation eingefunden. Glaube ich.

Einige kenne ich schon aus dem letzten Distanzunterricht im Frühjahr und weiß: Die bekommen das super hin! Ein beruhigendes Gefühl. Aber ob auch wirklich alle sich mit der Form des Onlineunterrichts wohl fühlen? Ich frage nach – und bekomme die Rückmeldung, dass es alles so ok ist. Aber ist es das wirklich? Diese Woche ist eigentlich keine Videokonferenz für alle nötig – es muss ziemlich komplexer Stoff erarbeitet werden. Das geht besser allein. Glaube ich.

Ich habe Erklärungen vorbereitet, Musterlösungen zu den Aufgaben hochgeladen (zum Glück habe ich Fächer, in denen die Aufgabenstellung zumeist kaum Spielraum lässt, sodass es meist tatsächlich „die Musterlösung“ gibt – ich bemitleide kurz die Kollegen, die jetzt andere Fächer unterrichten müssen) und Youtube ist zu einem engen Freund in der Unterrichtsvorbereitung geworden: Hier finde ich kostenlose Videos, die die komplizierten Sachverhalte veranschaulichen. Manch eine Frage, manch ein Problem lässt sich aber doch besser im persönlichen Gespräch klären. Deshalb läuft jetzt im Hintergrund Microsoft Teams. Bisher keine Fragen. Ist das jetzt ein gutes Zeichen? Oder traut sich jemand nicht? Doch, sie würden sich trauen. Glaube ich.

Ich werfe einen Blick ins Aufgabenmodul. Ich freue mich: Bei fast allen Kursen haben die Schüler die erwarteten Abgaben gemacht. Nur einzelne Abgaben fehlen. Haben sie es vergessen? Das wäre ja einfach: Eine Mail und die Aufgabe wird nachgeholt. Meine Sorge: Vielleicht sitzt jemand verzweifelt vor seinem Berg an Aufgaben und kommt nicht hinterher. Ich frage nach. Eine Rückmeldung kommt prompt: Einfach übersehen. In der Flut der ganzen Aufgaben untergegangen. Es ist halt ziemlich viel. Das glaube ich.

Die Videokonferenz bleibt recht einsam. Ich werde mich gleich meinen Musterlösungen für Mathe widmen. In Mathe gilt für die Schüler bei den neuen Themen: üben, üben, üben. Die Kontrolle der eigenen Ergebnisse überlasse ich ihnen selbst. Dafür schreibe ich ausführliche Musterlösungen. Und nicht selten kommt es vor, dass ich während dieser zugegebenermaßen sehr eintönigen Arbeit merke: Das sind ja viel zu viele Aufgaben! Ich streiche einen gehörigen Teil der Aufgaben raus. Es soll ja machbar bleiben. Aber ist es das für alle? Die Rückmeldungen, die ich bekomme, machen den Anschein: Die Aufgaben sind machbar. Glaube ich.

Ach ja – der Matheunterricht. Ich habe nur „die Großen“. Die sind wirklich schon fit darin, sich Dinge mit entsprechendem Material selbst zu erarbeiten. Und dass das funktioniert, ist wirklich wichtig: Im Gegensatz zu anderen Fächern heißt es nie „Neues Thema – neues Glück“: Ein Thema nicht mitgeschnitten, einmal gepennt oder den Lehrer einfach nicht verstanden – und schon kann das einem Schüler bis zum Abitur nachhängen. Ich blicke grinsend zurück in die Sommerferien: Verreisen hatte ich für mich ausgeschlossen – also habe ich die Ferien am See verbracht. Mit meinem Unterrichtszeug. Dass ein neuer Lockdown kommen würde, war damals schon klar. Dass ich es nicht schaffen würde, den gesamten Online-Unterricht in der Zeit Stunde um Stunde vorzubereiten auch. Jetzt freue ich mich, die Einheiten, die ich damals schwitzend und mit qualmendem Notebook vorbereitet hatte, einfach herausziehen zu können. Aber nutzen sie die mühevoll geplanten Einheiten auch wirklich? Ja. Sie geben mir zum großen Teil sehr ausdifferenzierte Rückmeldungen, was geklappt hat und was nicht. Ich kann mit kleinen Hilfen bei Bedarf nachsteuern. Und ich freue mich insbesondere über solche Rückmeldungen, wo ich sehe, dass sich jemand trotz Schwierigkeiten durchgebissen hat. Ich lächle, wenn ich an meine Schüler denke. Sie arbeiten an den Aufgaben nicht, weil sie sonst einen „Strich“ bekommen, sondern weil sie wissen, dass es für sie wichtig, ist, den Stoff zu können. Und zum Teil, weil sie diese Phase des eigenständigen Lernens als die Chance ergreifen, die sie sein kann: Lücken ausgleichen, individuelle Fragen stellen, individuelle Hilfe in Anspruch nehmen, sodass sie alle in der Zeit nach dem Lockdown von ihrer jetzigen Arbeit profitieren können. Glaube ich.

Was steht für mich heute noch an? Alle Online-Aufgaben für diese Woche sind vorbereitet. Ein gutes Gefühl! Die letzten Wochen Arbeit ohne Pause machen sich allmählich bezahlt: Ich habe gut vorgearbeitet und verspüre jetzt nicht mehr den Druck, den in den letzten Wochen der riesige Aufgabenberg aufgebaut hat. Ich muss noch die Musterlösungen fertig machen. Außerdem gilt es, den Unterricht für Jahrgang 13 zu planen. Zwischendurch individuelle Rückmeldungen zu Fragen erstellen und mich endlich in die Videosoftware vom iPad einarbeiten, damit ich ordentliche Erklärvideos erstellen kann. Und dann sollte ich schon beginnen, die Materialien für nächste Woche zu erstellen und hochzuladen. Ach ja – um noch mal auf den Anfang meines Textes zurückzukommen: Ich glaube, die Formulierung „freier“ Tag streiche ich.

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