19-Jährige klopft Steine für die Ewigkeit

30. Juni 2021Allgemein, Berufsorientierung, Personen

Ann-Katrin Wernke möchte nach dem Abitur am Gymnasium Damme Steinmetzin werden / In Vörden bekommt sie eine klassische Ausbildung

Nur die Vögel leisten ihr Gesellschaft: Ansonsten verbringt Ann-Katrin Wernke an diesem Tag viele einsame Stunden. Sie ist ganz allein auf dem Friedhof in Vörden. In Stille arbeitete sie an einem Grabstein. Die alte Schrift musste neu nachgemalt werden. Die drei Stunden Arbeit kommen ihr vor wie zehn Minuten. „Das ist eine sehr meditative Arbeit,“ sagt die junge Frau. Der ruhige Ort ermögliche, sich voll auf die Arbeit zu konzentrieren. Und genau das reizt sie.

Ann-Katrin Wernke möchte Steinmetzin werden. Im August beginnt sie ihre Ausbildung bei der Steinmanufaktur Voigt & Feldker in Vörden. Damit ist die 19-jährige Handorferin eine Ausnahme. Auszubildende gibt es in der Branche nicht viele. Das zeigt sich allein durch die Klassengröße in den Schulen. Steinmetzin Charlotte Voigt aus Vörden fallen auf Anhieb nur drei Steinmetzschulen in Norddeutschland ein. Ann-Katrin wird die Steinmetzschule in Königslutter besuchen. Dort seien die Klassen sehr klein. Im Süden sei die Lage anders, erklärt Charlotte Voigt. Die angehende Auszubildende Wernke arbeitet schon jetzt einmal die Woche in Vörden. Hauptsächlich betätigt sie das Strahlgerät, säubert und bemalt die Grabsteine. Ihr gefällt die Arbeit: „Jeden Tag kann man etwas machen, was für die Ewigkeit steht.“

Die Steinmanufaktur Voigt & Feldker ist spezialisiert auf Grabmale. Sie stellt aber auch anderes, wie etwa Steinbänke her. Dabei ist es den Betreibern wichtig, das Handwerk zu erhalten. Volker Voigt leitet den Betrieb seit 1986. 2008 kam seine Tochter Charlotte dazu. Sie überschlägt, dass ihr Vater im Lauf der Jahre sein Können an etwa sechs Auszubildende weitergegeben habe. Es sei „schwierig, jemanden zu finden, der einigermaßen brauchbar ist“. Dieses Problem hätten viele Handwerksbetriebe, weiß Charlotte Voigt. Deshalb fällten Vater und Tochter einen Entschluss. Sie wollten nicht mehr ausbilden. Lange weichklopfen musste Ann-Katrin ihre künftigen Ausbilder nicht: Sie sei ein „Glücksfall“, sagen diese. Ganz ähnlich denkt Ann-Katrin über ihren zukünftigen Ausbildungsplatz, den sie in den Schulferien als Praktikantin kennenlernte. Schon nach zwei Tagen durfte sie eine Treppenstufe bearbeiten. „Ich hatte noch nie so viel Spaß.“ Da war klar: „Das ist mein Traumjob.“

Neben der gestalterischen Arbeit, die ihr Ding ist, reizt die angehende Steinmetzin die Abwechslung. Mal sei man drinnen und arbeite im Büro oder am Zeichentisch. In der Kundenberatung zeigte sich die soziale Seite des Berufs. Und wieder anders sei es, wenn man Grabsteine vergolde oder draußen auf Steine „draufhaut“. Den Meistertitel hat die Abiturientin schon jetzt ins Visier genommen und ist sich sicher, dem Handwerk auch später treu zu bleiben: „Ich habe einfach Spaß im Handwerk und es ist meine Leidenschaft.“ Da ist sie für die klassische Ausbildung zum Steinmetz im Vördener Betrieb bestens aufgehoben. Denn in der Branche fände ein Wandel von Handwerk zu Handel statt, erklärt Charlotte Voigt. Der Import von fertigen Grabsteinen, führe dazu, dass immer weniger Betriebe ihre Grabmale selber herstellen. Dadurch nähmen die handwerklichen Fertigkeiten ab. Ann-Katrin Wernke wird als Azubi beispielsweise noch den klassischen Design-Prozess der Schriftzüge lernen. Das übernimmt mittlerweile aber häufig ein Computer. Charlotte Voigt findet: „Damit schafft man sich selber ab.“

Schwere Gedanken ums Heben hatten nur kurz Wernkes Entschluss, Steinmetzin zu werden, eingetrübt. Maschinen wie Böcke und Hebebühnen erleichtern die Arbeit und sorgen dafür, dass die Branche zwar langsam, aber doch merklich weiblicher wird. Wernkes Chefin bringt die Arbeit auf den Punkt: „Das ist Hantieren mit rohen Eiern, die Tonnen wiegen.“ Naturstein ist eben sehr empfindlich. Vorsicht, also Einfühlungsvermögen, ist auch bei den Kunden geboten, da es meist Trauernde sind. Bei der Beratung ist deshalb auch Einfühlungsvermögen gefragt. Für Ann-Katrin Wernke ist die Arbeit selbst deshalb aber längst nicht traurig: „Jeder Grabstein, den man macht, ist eine Erinnerung an einen Menschen und darauf kann man immer stolz sein.“

Oldenburgische Volkszeitung (21.06.2021)

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